Eigentlich wollte ich das Buch ja erst in meinem Urlaub lesen. Doch „Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie hat mich dermaßen in seinen Bann gezogen, dass ich mir jetzt eine Alternative für die Strandlektüre überlegen muss. Einen Aspekt in „Americanah“ fand ich auch für die berufliche Arbeit sehr nützlich: Die Hauptperson Ifemelu zeigt, worauf es beim Bloggen wirklich ankommt.
Zum besseren Verständnis ein paar Worte zum Inhalt des Buches: Während ihrer Schulzeit im Nigeria der 1990-er Jahren verlieben sich Ifemelu und Obinze ineinander. Während der Militärdiktatur unter Sani Abacha stehen Vetternwirtschaft und Korruption an der Tagesordnung. Ifemelu und Obinze träumen von einem besseren Leben. Als Ifemelu die Chance erhält, für ihr Studium in die USA zu gehen, wird ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt.
Die Beziehung zwischen Ifemelu und Obinze übersteht zunächst auch die Trennung. Doch Ifemelu kann sich das Leben in Philadelphia nicht leisten. Als sie gezwungen ist, sich zu prostituieren, bricht sie den Kontakt zu Obinze ab. Später beginnt Ifemelu eine Beziehung mit einem Amerikaner und erhält eine Greencard. Damit kann sie legal arbeiten.
Ifemelu startet einen Blog, in dem sie den Rassismus in den USA thematisiert. Ihr Blog macht sie rasch bekannt, sie kann sogar ihren Lebensunterhalt damit bestreiten. Ihre Haupteinnahmequellen sind Werbeeinschaltungen und Gelder von Sponsoren, die ihre Arbeit schätzen.
Und das ist Ifemelus Erfolgsrezept für ihren Blog:
1. Eindeutige Positionierung: Ifemelu schreibt in ihrem Blog „Raceteenth – oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen“ über den allgegenwärtigen, aber oft unterschwelligen Rassismus in den USA. Ein Beispiel dafür ist ihre Beschäftigung mit der Haartracht, die Ifemelu als Metapher für den Rassismus begreift (S. 375f.):
Manche schwarzen Frauen, AS (afrikanische Schwarze, Anm.) NAS (nicht-afrikanische Schwarze, Anm.), würden lieber nackt auf die Straße rennen, als sich mit ihrem natürlichen Haar in der Öffentlichkeit zu zeigen. Weil es nicht professionell, intellektuell, was immer ist, weil es nicht normal ist. (…) Wenn man doch natürliches Negerhaar hat, denken die Leute, man hätte etwa mit seinen Haaren gemacht. Tatsächlich sind es die Leute mit den Afros und den Dreadlocks, die nicht mir ihren Haaren „gemacht“ haben. Ihr solltet Beyoncé fragen, was sie gemacht hat. (Wir alle lieben Bey, aber wie wäre es, wenn sie uns nur ein einziges Mal zeigt, wie das Haar aussieht, das direkt aus ihrem Kopf wächst?)
Bild: Nat Ch Villa, Lizenz: CC BY 2.0
2. Aussagekräftige Überschriften: Das Texten von guten Überschriften gehört zu den eher schwierigen Übungen. Überschriften sollen den Leser neugierig machen und gleichzeitig die Kernaussage des Inhalts wiedergeben. Ifemelu macht das ziemlich perfekt:
Warum dunkelhäutige schwarze Frauen – amerikanische und nicht-amerikanische – Barack Obama lieben (S. 273)
Freie Stelle in Amerika – Chefschiedsrichter für „Wer ist Rassist?“ gesucht (S. 398)
Was Amerikaner unter weißen Privilegien verstehen, oder: Ja, es ist beschissen, arm und weiß zu sein, aber ich versuch’s mal mit arm und nicht-weiß (S. 438)
3. Persönliche Anekdoten: Ifemelu schreibt ihren Blog zwar anonym, streut aber in ihre Blogposts immer wieder persönliche Erlebnisse ein. Die Ich-Perspektive unterstreicht für die Leser ihre hohe Identifikation mit dem Thema (S. 457):
Als mein Vater in meinem NAS-Land in die Schule ging, durften viele amerikanische Schwarze nicht wählen oder gute Schulen besuchen. Warum? Wegen ihrer Hautfarbe. Nur die Hautfarbe war das Problem. Heute sagen viele Amerikaner, dass die Hautfarbe nicht Teil der Lösung sein kann. Sonst hätten wir eine Kuriosität namens „umgekehrter Rassismus“.
4. Provokation als Stilmittel: Ifemelus Sprache ist manchmal sehr angriffslustig. Sie nennt Dinge unverblümt beim Namen. Auch Afro-Amerikaner, die augenscheinliche Probleme leugnen, kriegen ihr Fett ab. So vergleicht sie Barack Obama mit dem in amerikanischen Filmen und Büchern beliebten Charakter des „magischen Negers“ (S. 406):
Und was ist ein magischer Neger?, fragt ihr. Der schwarze Mann, der immer weise und freundlich ist. Er reagiert nie unter großem Leidensdruck, wird nie zornig, ist nie bedrohlich. Er vergibt stets alle mögliche rassistische Scheiße. Er lehrt die Weißen, wie sie das betrübliche aber verständliche Vorurteil aus ihrem Herzen reißen. Man sieht diesen Mann in vielen Filmen. Und Obama passt perfekt für diese Rolle.
5. Call to Action: Ein gelungener Blogpost schließt mit einer konkreten Handlungsaufforderung an die Leser. Auch hier hat es Ifemelu zur Meisterschaft gebracht.
Zum Beispiel in ihrem Blogpost „Als Schwarzer auf Reisen“ (S. 418f.):
Gedanken? Bitte, postet eure eigenen Reisegeschichten.
Oder in ihrem Post „Amerika für nicht-amerikanische Schwarze: Gedanken über einen besonderen weißen Freund“ (S. 457f.):
Mehr Vorschläge, was eure weißen Freunde sagen wollen? Bitte, schreibt zuhauf, Auf alle weiße Freunde, die kapieren!
Wer „Americanah“ aufmerksam liest, kann sich noch viele weitere Impulse für erfolgreiches Bloggen rausholen. Die Lektüre des Buches lohnt sich aber in jedem Fall. Nicht ohne Grund wurde „Americanah“ von der „New York Times“ zu einem der zehn besten Romane des Jahres 2013 gekürt.
Wie geht das Buch aus? Nur soviel. Trotz ihres Erfolgs als Bloggerin entscheidet Ifemelu, nach Nigeria zurückzukehren. Mehr wird nicht verraten. Aber an Euch, liebe Leser, eine kleine Bitte. Gebt mir doch einen Tipp, was ich jetzt am Strand lesen soll 😉
Martin Sturmer
afrika.info, Mediaclub, Techno-Z-Mieter seit 2001.
Im Blog beschäftige ich mich mit wirtschaftlichen Fortschritten in Afrika und erfolgreichen Maßnahmen für wirkungsvolle Kommunikation.
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Eigentlich wollte ich das Buch ja erst in meinem Urlaub lesen. Doch „Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie hat mich dermaßen in seinen Bann gezogen, dass ich mir jetzt eine Alternative für die Strandlektüre überlegen muss. Einen Aspekt in „Americanah“ fand ich auch für die berufliche Arbeit sehr nützlich: Die Hauptperson Ifemelu zeigt, worauf es beim Bloggen wirklich ankommt.
Zum besseren Verständnis ein paar Worte zum Inhalt des Buches: Während ihrer Schulzeit im Nigeria der 1990-er Jahren verlieben sich Ifemelu und Obinze ineinander. Während der Militärdiktatur unter Sani Abacha stehen Vetternwirtschaft und Korruption an der Tagesordnung. Ifemelu und Obinze träumen von einem besseren Leben. Als Ifemelu die Chance erhält, für ihr Studium in die USA zu gehen, wird ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt.
Die Beziehung zwischen Ifemelu und Obinze übersteht zunächst auch die Trennung. Doch Ifemelu kann sich das Leben in Philadelphia nicht leisten. Als sie gezwungen ist, sich zu prostituieren, bricht sie den Kontakt zu Obinze ab. Später beginnt Ifemelu eine Beziehung mit einem Amerikaner und erhält eine Greencard. Damit kann sie legal arbeiten.
Ifemelu startet einen Blog, in dem sie den Rassismus in den USA thematisiert. Ihr Blog macht sie rasch bekannt, sie kann sogar ihren Lebensunterhalt damit bestreiten. Ihre Haupteinnahmequellen sind Werbeeinschaltungen und Gelder von Sponsoren, die ihre Arbeit schätzen.
Und das ist Ifemelus Erfolgsrezept für ihren Blog:
1. Eindeutige Positionierung: Ifemelu schreibt in ihrem Blog „Raceteenth – oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen“ über den allgegenwärtigen, aber oft unterschwelligen Rassismus in den USA. Ein Beispiel dafür ist ihre Beschäftigung mit der Haartracht, die Ifemelu als Metapher für den Rassismus begreift (S. 375f.):
Manche schwarzen Frauen, AS (afrikanische Schwarze, Anm.) NAS (nicht-afrikanische Schwarze, Anm.), würden lieber nackt auf die Straße rennen, als sich mit ihrem natürlichen Haar in der Öffentlichkeit zu zeigen. Weil es nicht professionell, intellektuell, was immer ist, weil es nicht normal ist. (…) Wenn man doch natürliches Negerhaar hat, denken die Leute, man hätte etwa mit seinen Haaren gemacht. Tatsächlich sind es die Leute mit den Afros und den Dreadlocks, die nicht mir ihren Haaren „gemacht“ haben. Ihr solltet Beyoncé fragen, was sie gemacht hat. (Wir alle lieben Bey, aber wie wäre es, wenn sie uns nur ein einziges Mal zeigt, wie das Haar aussieht, das direkt aus ihrem Kopf wächst?)
Bild: Nat Ch Villa, Lizenz: CC BY 2.0
2. Aussagekräftige Überschriften: Das Texten von guten Überschriften gehört zu den eher schwierigen Übungen. Überschriften sollen den Leser neugierig machen und gleichzeitig die Kernaussage des Inhalts wiedergeben. Ifemelu macht das ziemlich perfekt:
Warum dunkelhäutige schwarze Frauen – amerikanische und nicht-amerikanische – Barack Obama lieben (S. 273)
Freie Stelle in Amerika – Chefschiedsrichter für „Wer ist Rassist?“ gesucht (S. 398)
Was Amerikaner unter weißen Privilegien verstehen, oder: Ja, es ist beschissen, arm und weiß zu sein, aber ich versuch’s mal mit arm und nicht-weiß (S. 438)
3. Persönliche Anekdoten: Ifemelu schreibt ihren Blog zwar anonym, streut aber in ihre Blogposts immer wieder persönliche Erlebnisse ein. Die Ich-Perspektive unterstreicht für die Leser ihre hohe Identifikation mit dem Thema (S. 457):
Als mein Vater in meinem NAS-Land in die Schule ging, durften viele amerikanische Schwarze nicht wählen oder gute Schulen besuchen. Warum? Wegen ihrer Hautfarbe. Nur die Hautfarbe war das Problem. Heute sagen viele Amerikaner, dass die Hautfarbe nicht Teil der Lösung sein kann. Sonst hätten wir eine Kuriosität namens „umgekehrter Rassismus“.
4. Provokation als Stilmittel: Ifemelus Sprache ist manchmal sehr angriffslustig. Sie nennt Dinge unverblümt beim Namen. Auch Afro-Amerikaner, die augenscheinliche Probleme leugnen, kriegen ihr Fett ab. So vergleicht sie Barack Obama mit dem in amerikanischen Filmen und Büchern beliebten Charakter des „magischen Negers“ (S. 406):
Und was ist ein magischer Neger?, fragt ihr. Der schwarze Mann, der immer weise und freundlich ist. Er reagiert nie unter großem Leidensdruck, wird nie zornig, ist nie bedrohlich. Er vergibt stets alle mögliche rassistische Scheiße. Er lehrt die Weißen, wie sie das betrübliche aber verständliche Vorurteil aus ihrem Herzen reißen. Man sieht diesen Mann in vielen Filmen. Und Obama passt perfekt für diese Rolle.
5. Call to Action: Ein gelungener Blogpost schließt mit einer konkreten Handlungsaufforderung an die Leser. Auch hier hat es Ifemelu zur Meisterschaft gebracht.
Zum Beispiel in ihrem Blogpost „Als Schwarzer auf Reisen“ (S. 418f.):
Gedanken? Bitte, postet eure eigenen Reisegeschichten.
Oder in ihrem Post „Amerika für nicht-amerikanische Schwarze: Gedanken über einen besonderen weißen Freund“ (S. 457f.):
Mehr Vorschläge, was eure weißen Freunde sagen wollen? Bitte, schreibt zuhauf, Auf alle weiße Freunde, die kapieren!
Wer „Americanah“ aufmerksam liest, kann sich noch viele weitere Impulse für erfolgreiches Bloggen rausholen. Die Lektüre des Buches lohnt sich aber in jedem Fall. Nicht ohne Grund wurde „Americanah“ von der „New York Times“ zu einem der zehn besten Romane des Jahres 2013 gekürt.
Wie geht das Buch aus? Nur soviel. Trotz ihres Erfolgs als Bloggerin entscheidet Ifemelu, nach Nigeria zurückzukehren. Mehr wird nicht verraten. Aber an Euch, liebe Leser, eine kleine Bitte. Gebt mir doch einen Tipp, was ich jetzt am Strand lesen soll 😉
Martin Sturmer
afrika.info, Mediaclub, Techno-Z-Mieter seit 2001.
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